Begleitende Evaluation des Projekts "Proaktiv – Servicestelle für Betroffene von Straftaten"

Projektformat: Evaluation/Wissenschaftliche Begleitung

Auftraggeber/Fördergeber: Opferhilfe – Hilfe für Opfer von Straftaten in Berlin e.V.

Projektdurchführende: Albrecht Lüter, Moritz Konradi

Laufzeit: 19.04.2021 – 31.12.2021

Projektbeschreibung

Das Projekt „proaktiv – Servicestelle für Betroffene von Straftaten“ zielt auf eine Verbesserung der Versorgung kriminalitätsbetroffener Menschen in Berlin. Es will einen proaktiven Ansatz in der Opferhilfearbeit einführen und langfristig etablieren. Zugang zu Information und Beratung über Opferrechte und Versorgungmöglichkeiten sollen niedrigschwelliger und betroffenengerechter gestaltet werden, um so den langfristigen psychischen Folgen von Straftaten vorzubeugen. Der Anteil von momentan ca. 10% der kriminalitätsbetroffenen Berliner*innen, die nach einer Straftat Unterstützung erhalten, soll deutlich erhöht werden.

Die proaktive Opferhilfearbeit erfordert ein Zusammenwirken von Strafverfolgungsbehörden und Beratungsstellen, das die Servicestelle etablieren und koordinieren soll: Die Polizei erhebt Kerndaten zu den Betroffenen sowie deren Einverständnis, die Servicestelle ermittelt eine passende Beratungsstelle, die dann in Kontakt tritt und Unterstützungsangebote unterbreitet. Das Projekt stützt sich auf positive Erfahrungen mit dem proaktiven Ansatz z.B. in den Niederlanden, Dänemark und Nord-Irland sowie beim Vorgehen bei Fällen häuslicher Gewalt in Berlin und einigen anderen Bundesländern. Es trägt zur Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten und des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) in Berlin bei.

Das zu evaluierende Pilotprojekt soll die hierfür nötigen Arbeitsroutinen und Kooperationsmechanismen im Zuständigkeitsbereich der 2. Berliner Landespolizeidirektion erproben. Konkret verankert es die Informationsübermittlung zum proaktiven Ansatz in der Polizeidirektion, etabliert tragfähige Kooperationsstrukturen zwischen der Servicestelle, der Polizei und den Beratungsstellen des Berliner Opferhilfenetzes, entwickelt geeignete und datenschutzkonforme Abläufe und Werkzeuge der Vermittlung, dokumentiert Prozesse und Ergebnisse und entwickelt Strategien zur berlinweiten Implementierung des proaktiven Vorgehens. Das Pilotprojekt soll zudem Angebotslücken in der Berliner Versorgungslandschaft aufzeigen und leistet so eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung des Berliner Hilfesystems.

Die Projektevaluation ist formativ und prozessbegleitend angelegt. Sie analysiert die praktische Umsetzung des proaktiven Ansatzes und nimmt dabei Arbeitsweisen der Servicestelle sowie deren Einbettung in das Berliner Opferschutzsystem in den Blick. Mittels qualitativer und quantitativer Verfahren werden Erkenntnisse zur Zielerreichung des Projekts generiert und konzeptionelle Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Ansatzes entwickelt, auch im Hinblick auf eine mögliche berlinweite Implementierung.

Konkret baut die Evaluation auf drei Erhebungssäulen auf, um sicherzustellen, dass die Perspektiven der zentralen Akteure und ihre Einschätzungen auf die Umsetzung des Pilotprojekts einbezogen werden. Somit werden unterschiedliche Perspektiven für die Weiterentwicklung des proaktiven Ansatzes erfasst, die in die Empfehlungen einfließen.

Polizei

Zentrale Bedingungen für die folgenden Projektschritte sind funktionierende Prozesse zur Information und Aufklärung der Betroffenen bei der Anzeigenaufgabe oder Vernehmung sowie das Einholen des Einverständnisses zur proaktiven Kontaktaufnahme. Wie werden die Prozesse in der Direktion 2 implementiert? Wie funktioniert die Umsetzung auf den Abschnitten?

Servicestelle

Die Servicestelle ist Motor und zentrale Koordinierungsstelle des Projekts. Wie gelingen Vermittlungsprozesse und die Kommunikation mit den Akteur*innen des Netzwerks? Inwieweit können funktionale, alltagstaugliche Systeme des Datenaustauschs etabliert werden? Inwiefern können Projekterfolge ausreichend dokumentiert und langfristige Perspektiven entwickelt werden?

Opferhilfeberatungsstellen

Die Beratungsstellen des Berliner Hilfesystems nehmen direkt Kontakt zu den Betroffenen auf und bieten Unterstützung an. Inwieweit gelingt die Einführung der proaktiven Arbeitsweise im Alltag der Beratungsstellen, welche Anpassungen sind nötig? Wie erfahren Berater*innen die neue Arbeitsweise? Welche Rückmeldungen erfolgen von Betroffenen?

Zur Datenerhebung werden Dokumentenanalysen, verschiedenformatige Interviews mit Betroffenen, Berater*innen und Polizist*innen, standardisierte Befragungen, Fokusgruppeninterviews und Expert*innenworkshops durchgeführt. Eine wissenschaftliche Auswertung und Triangulation erlauben die Ableitung von Befunden und Empfehlungen.